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AutorenbildFranziska Petersohn

Glaubenssätze vs. Glaubens-Sätze

Aktualisiert: 25. Juni 2021


Ich bekam die Frage gestellt, was denn Themen in meinen Beratungen seien. Welche Anliegen haben Menschen, die sich mit mir auf den Weg in einen neuen Lebensabschnitt machen? Was beschäftigt die Leute, die psychologische Beratung in Anspruch nehmen? In einem Satz lässt sich das gar nicht so einfach beantworten. Daher werde ich auf meinem Blog Stück für Stück Bereiche beleuchten, die in der Arbeit mit meinen Klientinnen und Klienten häufig vorkommen oder die ich besonders inspirierend finde.


Zum Einstieg möchte ich mich einem Thema widmen, dass in allen Beratungen früher oder später eine Rolle spielt, nämlich Glaubenssätze. Gleichzeitig werde ich aber auch einen anderen Aspekt von Glaubenssätzen betrachten, nämlich die, die aus dem wortwörtlichen Glauben, also dem Glaube an Religion und Gott heraus entstehen. Denn auch diese "Glaubens-Sätze" spielen in meiner Praxis eine große Rolle.


Was sind Glaubenssätze?


Glaubenssätze oder "Überlebensregeln" sind heutzutage häufig vielen Menschen schon ein Begriff. Es handelt sich um Gedanken, die man selbst über sich und die Umwelt hat, die definieren, wie wir uns und die Umwelt wahrnehmen und es sind Dinge, die wir tagtäglich zu uns selbst sagen. Beispiele für Glaubenssätze wären

  • "ich bin nicht gut genug"

  • "ich kann sowas nicht"

  • "ich bin kompliziert"

  • "ich bin zu schüchtern, um neue Freunde zu finden"

  • "die Anderen mögen mich nicht"

  • "ich darf keine Fehler machen"

Häufig erscheinen diese und andere Glaubenssätze nicht einfach auf dem Präsentierteller, wenn man mal scharf in sich hineinhorcht. In der psychologischen Beratung und auch in der Psychotherapie verbringen wir viel Zeit damit, Glaubenssätze herauszufiltern, zu beobachten, aufzuschreiben, sie zu hinterfragen und schließlich in konstruktivere Glaubenssätze umzuwandeln.


Woher kommen Glaubenssätze?


Ein wichtiger Teil der Arbeit besteht darin, die Ursprünge der Glaubenssätze herauszufinden. Wir erwerben viele Überlebensregeln im Laufe unserer Kindheit. Hierbei haben wir das Ziel, von unseren Eltern Liebe, Wertschätzung und Anerkennung zu bekommen oder aber Strafen und Ablehnung zu vermeiden. Als Kinder sind wir zu 100% abhängig davon, dass unsere Eltern sich um uns kümmern, d. h. uns Liebe, Nahrung, Sicherheit und ein zu Hause geben. Implizit (also innerlich) ist diese Abhängigkeit jedem Kind bewusst, weshalb immer versucht wird, die Eltern "glücklich zu machen". Schnell lernen Kinder deshalb, welche Dinge den Eltern gefallen bzw. welche Werte (Tugend, Leistung, Moral, Anstrengung, Gehorsam) den Eltern besonders wichtig sind. Eltern sagen Dinge wie

  • "Bring gute Leistungen mit nach Hause."

  • "Mach uns stolz!"

  • "Du musst hören, wenn ich dir was sage!",

  • "Von Nichts kommt Nichts.",

  • "Sowas macht man aber nicht!",

  • "Sei ein braves Kind",

  • "Nur die Besten kommen im Leben weiter!".

Solche Sätze klingen noch Jahrzehnte in unserem Kopf nach und formen unsere eigene innere Stimme, die wir Tag für Tag hören. Sie zu verändern, erfordert viel Zeit, Geduld, Selbstreflektion und kontinuierliche Arbeit an den eigenen Gedanken und Überzeugungen. Ein hilfreicher Einstieg für die Veränderung von Glaubenssätzen kann wie folgt aussehen:

  1. Aufschreiben

    1. alle Glaubenssätze die in allen möglichen Situationen im Kopf auftauchen notieren

  2. Fragen stellen

    1. sind meine Überlebensregeln hilfreich?

    2. sind meine Überlebensregeln (noch) wahr?

    3. helfen mir meine Glaubenssätze mich gut zu fühlen?

    4. kann ich mit meinen Glaubenssätzen das Leben leben, das ich mir wünsche?

  3. Testen und Erfahren

    1. bewusst gegen einen Glaubenssatz handeln und erfahren, dass die Welt nicht untergeht

  4. Umformulieren

    1. hilfreiche, liebevolle, konstruktive Glaubenssätze finden, die positive Gefühle hervorrufen


Was sind Glaubens-Sätze?


Ich spreche mit meinen Klient*innen auch über Gott. Wenn es bei Klientengesprächen um Gott geht, mag der ein oder andere glauben, dass wir dann über die Existenz oder Nichtexistenz von Gott debattieren würden. Dem ist nicht so. Ich würde mir als Therapeutin auch nicht anmaßen, die Existenzfrage von Gott beantworten zu können und ich muss es auch gar nicht. Es kommt nämlich nicht so sehr darauf an, an wen oder was man glaubt, sondern vielmehr darauf, was der Glaube mit dem Menschen macht. Wie beeinflusst er unsere Entscheidungen und unser Lebensglück? Ein Glaube kann Hoffnung, Kraft und Zuversicht in die eigenen Fähigkeiten geben, andererseits kann er aber auch Verunsicherung, Angst und Schuld hervorrufen. Mit Letzterem sehen sich einige meiner Klient*innen konfrontiert. Beispielweise wird mir berichtet, dass ein starkes schlechtes Gewissen bis hin zu Schuldgefühlen auftritt, wenn vermeintlich egoistische Entscheidungen getroffen werden, wie eine Bitte um Hilfe abzulehnen oder sich selbst etwas Gutes zu tun. Auch das Handeln nach den eigenen Bedürfnissen und Gefühlen wird als unangenehm und schambesetzt wahrgenommen.


Ich habe festgestellt, dass diese Schwierigkeiten auch durch Glaubenssätze ausgelöst werden. Allerdings nicht ausschließlich Glaubenssätze die implizit durch Erfahrungen mit den nahen Bezugspersonen entstanden sind. Es geht um Glaubenssätze die in den Herkunftsfamilien ganz explizit und eindeutig kommuniziert wurden. Ich habe sie "Glaubens-Sätze" genannt, da sie eng mit der Religion, Glauben und Gott verbunden sind. Menschen, die z. B. aus christlichen Familien kommen, haben neben den implizit durch die Erziehung vermittelten Glaubenssätzen auch "Glaubens"-Sätze aus der christlichen Religion verinnerlicht. Hierbei handelt es sich um Sätze wie

  • "Sei immer für andere da."

  • "Denke an andere zuerst (und an dich zuletzt)."

  • "Du musst ein guter Mensch sein!"

  • "Du darfst nicht lügen!"

  • "Die Welt ist in Gut und Böse geteilt."

  • "Du musst dich zwischen gut und böse entscheiden"

Wenn dann zwischen dem 18. und 22. Lebensjahr erste Schritte ins selbstständige Leben unternommen werden, z. B. ein Auszug von zu Hause stattfindet oder Entscheidungen fürs Berufsleben getroffen werden - kurzum, wenn Schritte zur Unabhängigkeit vom Elternhaus getroffen werden, dann sehen sich einige meiner Klient*innen mit Zweifeln und Unsicherheiten; ja sogar Ängsten und Panik konfrontiert. Dann nämlich, wenn die neue Welt, in die sie sich so gern begeben wollen, auf christliche Glaubens-Sätze trifft.


Bei der Erkennung und Bearbeitung dieser Glaubens-Sätze reicht es nicht aus, nur die oben beschriebenen Hilfsmittel zur Bearbeitung von impliziten Glaubenssätzen anzuwenden. Es geht zusätzlich um die fundamentale Entscheidung hinsichtlich der Positionierung zu Glaube, Gott und Religion im zukünftigen Leben. Es ist quasi die klassische Gretchenfrage* mit der sich die Klient*innen auseinandersetzen müssen. Passen die eigenen Moralvorstellungen und die Wertvorstellungen der Familie noch zu dem Leben, dass ich gern in Zukunft leben möchte? Wie werde ich ab jetzt entscheiden, wenn ich eine bestimmte Sache machen oder lassen möchte, sich das aber nicht mit meinen bisherigen Vorstellungen von Moral und Tugend deckt?


Dabei geht es nicht darum, sich für oder gegen Gott zu entscheiden. Es geht darum, seinen ganz eigenen Weg im Leben zu finden auch das erste Mal den ganz eigenen Weg mit dem Glauben zu finden. Als Kind wachsen wir mit den Wert- und Glaubensvorstellungen unserer Eltern auf. In der Jugend und vor allem nach dem Verlassen des Elternhauses kann ich mich erstmals selbständig um meine Werte und meinen Glauben kümmern. Einerseits birgt dies eine große Freiheit in sich, andererseits kann es auch sehr beängstigend sein. Für manche meiner Klient*innen heißt dies Abstand zu nehmen von streng religiösen Konzepten, zum Beispiel weil sie eine körperliche Beziehung mit ihrem Partner haben möchten, auch wenn sie noch nicht verheiratet sind. Für andere bedeutet es, zu lernen, gegenüber den Eltern einen neuen Standpunkt zu vertreten. Für wieder andere geht es darum, sich selbst wieder akzeptieren zu können und sich nicht mehr schuldig zu fühlen.


Ich finde es unheimlich bereichernd, junge Menschen auf ihrer ganz eigenen Reise zu sich selbst und einer neuen Identifikation mit Glaube und Religion in einer modernen und bunten Welt zu begleiten. Falls auch Sie Unterstützung bei der Arbeit mit Ihren Glaubessätzen oder Glaubens-Sätzen benötigen, dann kontaktieren Sie mich! Sie können mich unverbindlich in einem kostenlosen Gespräch kennenlernen. Vereinbaren Sie noch heute Ihren Termin!

 

Anmerkung: Im vorliegenden Text ging es um das Thema Glaube und Religion. Ich habe mich dabei allerdings nur auf die christliche Religion bezogen, da ich bisher ausschließlich mit Klient*innen gearbeitet habe, die in einer christlichen Glaubensgemeinschaft aufgewachsen sind. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass auch bei anderen Religionen ähnliche Identitätskonflikte im jungen Erwachsenenalter auftreten könnten.


*von wikipedia:

Der Ursprung des Konzeptes und Begriff es [der Gretchenfrage] liegt in Johann Wolfgang von Goethes Tragödie Faust I. Darin stellt die Figur Margarete, genannt Gretchen, der Hauptfigur Heinrich Faust die Frage:

„Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion? Du bist ein herzlich guter Mann, Allein ich glaub’, du hältst nicht viel davon.

Im engeren Sinne ist mit Gretchenfrage demnach die Frage nach der Religiosität der jeweils angesprochenen Person oder sozialen Gruppe gemeint. ...

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